Spirituelle Erfüllung unterwegs. Wer auf der A3 zwischen Würzburg und Nürnberg unterwegs ist, etwas Ruhe inmitten seiner Reise erleben und auch gern feinere Fühler nach oben ausstrecken möchte, dem sei ein Halt am Rasthof Geiselwind und dort der Besuch der Ökumenischen Autobahnkirche ausdrücklich empfohlen.
Dieses Mal war es jedoch anders. Auf der Reise zu meinem langjährig vertrauten Ferienort im Bayerischen Wald tauchte am Rande der A3, irgendwo im Fränkischen, die Ankündigung eines Rasthofes mit Autobahnkirche auf. Während früherer Fahrten von mir nie bewusst wahrgenommen, erschien dieses Mal plötzlich der Gedanke - wie eine übergroße Leuchtreklame: Die hier könnte es sein, fahr mal runter und schau Dir das Ganze an.
Ich war ohne Eile, eine Pause sowieso willkommen - also: gedacht, getan, den Blinker gesetzt, Fuß vom Gas und rechts ab. Zunächst war da allerdings erstmal gar nichts. Zumindest keine Kirche, sondern Burger King, Shell, viel Beton und halt die üblichen Verdächtigen an einem Autohof.
Hm, hatte ich etwas missverstanden? Auf gut Glück fuhr ich ein paar hundert Meter weiter, gab das Stichwort "Autobahnkirche Geiselwind" extra ins Navi ein, wurde dann in einer speziellen Ehrenrunde von mehreren hundert Metern, noch einmal die Autobahn überquerend, erneut an denselben Platz geführt und bemerkte erst dabei, dass die eigentliche Zufahrt zur Kirche leicht übersehbar und nur kurz hinter der Abfahrt zu Shell liegt - ein sehr schmales und fast unscheinbares Sträßchen, bei dem ich mich sogar für Momente fragte, ob die Durchfahrt überhaupt gestattet wäre... Vielleicht war es auch gar nicht der offizielle, "richtige" Weg, wer weiß? Aber wer demnächst mal hinfahren möchte, darf gern aus meinem kleinen Irrtum lernen ;-)
Schließlich landete ich auf einem weitläufigen und auffallend leeren Parkplatz, widerstand dem kurz aufflackernden Impuls, einmal im Internet nachzuschauen, ob das hier nun wirklich jene magische Autobahnkirche sei und entschloss mich stattdessen, die anstehende Expertise zunächst lieber mit den eigenen Antennen einzuholen. Nachlesen könnte ich hinterher schließlich immer noch.
Über den fast menschenleeren und an diesem Tag in der Sommerhitze glühenden Parkplatz gehe ich auf eine merkwürdige Gebäudegruppe zu. In wie zufällig kombinierten Pastelltönen sind ein Hotel, eine Tiefgarageneinfahrt und ein weiteres Gebäudeteil zu sehen. Weiter hinten auf der linken Seite befindet sich die Kirche.
Architektonisch erscheint alles wie in einer leicht surrealen Mischung aus verlassener Filmkulissen-Landschaft, den wenig besuchten Ausläufern eines Fantasyparks oder der Rückansicht eines Outletcenters. Nicht mehr ganz neu, die Farben etwas verblichen - und zumindest von außen betrachtet, wirkt hier nichts wie für die Ewigkeit gebaut.
Und trotzdem hat das Ganze etwas anrührend Tapferes. Die Kirche selbst könnte einer Kinder-Zeichnung entsprungen sein, so unschuldig erhebt sie sich vom Platz mit ihren runden Fensterbögen und dem gewölbten Dach. In die Ecke über dem Eingang ist nach mittelalterlichem Vorbild eine Nische mit einer Engel- oder Heiligendarstellung eingelassen. Daneben in großen Lettern an der Wand „KOMMT ALLE“ *). Ich muss ein bisschen schmunzeln - so einfach, fast naiv (zumal sich in unmittelbarer Nachbarschaft auch noch ein Erotikmarkt befindet…). Aber etwas in mir spürt in diesem Moment dennoch vollkommen klar, dass all das hier sehr wahr, sehr aufrichtig und tiefgehend ist.
Nach dem Betreten der Kirche umfangen mich sofort Andacht und Stille. Es ist nicht dieses "Ich schaue erst mal herum", sondern ein sofortiges Eintauchen. Auf einem der bereitstehenden Stühle nehme ich Platz und überlasse mich einfach „dem Frieden einer höheren Ordnung“. **) Es geschieht unmittelbar, absichtslos, ist einfach da.
Kein Gedanke mehr an die lange Fahrt, an die Strecke, die hinter mir liegt oder an die, die noch bevorsteht. Nicht mal ein Gedanke an den liebevoll eingerichteten Kirchenraum, das wirklich bemerkenswerte Altarbild oder die skulpturenhaft aus Holz gefertigten Prinzipalien. Stattdessen: einfach dasein, die Ruhe fühlen, Kraft tanken, verbunden mit der höheren Ordnung.
Nach einer Weile (es können Minuten gewesen sein, eine halbe Stunde oder länger; die Zeit verschwimmt und spielt eigentlich keine Rolle mehr. Irgendwo lässt sich nachlesen, dass die durchschnittliche Verweildauer von Besuchern in Autobahnkirchen fünf bis zehn Minuten betrage) stehe ich auf - erfrischt, dankbar, gestärkt - durchstreife den angrenzenden Devotionalienladen, erstehe einen metallenen Engel als künftigen Reisebegleiter und fühle mich - ungeachtet der noch zu fahrenden 300 Kilometer - sogar motiviert, dem nahegelegenen Engelpfad zu folgen und die an dessen Ende befindliche Mariengrotte aufzusuchen. Unversehens umfängt mich plötzlich ein Gefühl, dass die Ferien längst begonnen haben und ich im Grunde nicht länger unterwegs, sondern auf eine bestimmte Weise einfach schon DA bin.
Auf dem Rückweg zum Auto fällt auf, dass der Mercedes-Stern des hinter der Kirche liegenden Truck-Services das Kreuz auf dem kleinen Kirchturm um ein Vielfaches überragt. Ein bisschen kurios. Aber es ist in Ordnung. Es geht nicht um äußere Größe. Hier wurde mit viel Liebe und tief gelebtem Glauben ein magischer Ort geschaffen, der diese Welt schöner und spiritueller macht, eine Oase für Reisende, ein Platz für Wunder - und für Engel.
*) Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen! (Matthäus 11,28)
**)
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